GMP-Dokumentation in der Praxis

GMP-Dokumentation in der Praxis

12. March 2021 von Irina Linke

(Die nachfolgende Geschichte ist frei erfunden, alle Charaktere und Situationen sind fiktiv).

 

Montagmorgen, 7:00 Uhr. Mit einer dampfenden und wohlriechenden Tasse Kaffee betrete ich mein Büro. Auf meinem Schreibtisch wartet schon ein Ordner auf mich. Gregor Maier-Paulsen hat mir Freitagnachmittag noch die ausgefüllten Testprotokolle der Prozessbehälterqualifizierung zur Prüfung vorbeigebracht. Vorsichtig stelle ich den heißen Kaffee ab und schlage den Ordner auf. Erstmal überprüfen, ob die Seiten vollständig sind. Genau das Richtige für einen Montagmorgen. Seite 1 von 74, Seite 2 von 74, …, Seite 41 von 74, … wann wirkt denn endlich der Kaffee? Seite 42 von 74… Moment! Hier stimmt doch was nicht. Das Blatt ist viel heller und im Gegensatz zu allen anderen Seiten ist es ein Schwarzweißdruck. Mein GMP-Herz schlägt nun schneller, jetzt brauche ich keinen Kaffee mehr. Mit einem Schlag bin ich hellwach. Seite 42 ist das Testprotokoll der Reinigung und diese Seite wurde ganz offensichtlich ausgetauscht.

 

Schnell greife ich zum Hörer und wähle die Nummer von Gregor Maier-Paulsen. Er erklärt mir, die Spezifikation der Reinigung sei angepasst worden und dadurch hätte sich ein Akzeptanzkriterium zum Bestehen der Prüfung geändert. Aus diesem Grund habe er das Akzeptanzkriterium angepasst, die Seite neu ausgedruckt und gegen die alte Seite ausgetauscht. Puh… ich atme erst einmal tief ein… und wieder aus… um Gregor dann möglichst ruhig zu erklären, dass im GMP-Umfeld keine Vernichtung von Original-Dokumenten akzeptiert wird. Während ich erläutere, dass es ein absolutes No-Go ist, Änderungen in freigegebenen Dokumenten vorzunehmen und einfach die Original-Seite durch eine neue zu ersetzen, höre ich die Reinigungskraft Frau Vogel im Hintergrund pfeifen. Schnell frage ich Gregor was mit der Original-Seite passiert ist. „Die habe ich Freitagabend in den Müll geschmissen.“, sagt er schuldbewusst. Lautstark legt Gregor den Telefonhörer auf den Tisch und ich höre seine Stimme nur noch ganz dumpf rufen: „Frau Vogel, Moment!“ Mir wird klar, dass Gregor gerade die Original-Seite 42 rettet. „Der frühe Vogel fängt den Wurm.“, kommt mir in den Kopf und ich muss lachen. Da habe ich Gregor auch schon wieder am Ohr. „Ich hab sie!“, sagt er stolz.

 

Um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten, einigen wir uns darauf, dass er die Originalseite mit einem nachvollziehbaren Kommentar versieht, der auf das neue ausgefüllte Testprotokoll verweist. Natürlich muss auch die Liste mit den Referenzdokumenten angepasst werden, in der noch die alte Spezifikation der Reinigung aufgeführt ist. „Und mit Anpassen meine ich handschriftlich, nicht neu ausdrucken.“ füge ich sicherheitshalber noch hinzu. Gregor seufzt. „Und hinter jedem Eintrag Datum und Kürzel nicht vergessen, damit jeder nachvollziehen kann, wer wann kommentiert hat.“ „Aber nicht wieder mit Tipp-Ex übermalen, falls du dich verschreibst!“ „Keine Sorge, deinen entsetzten Blick habe ich nicht vergessen. Ich weiß jetzt, dass alle Schreibfehler so korrigiert werden müssen, dass man das ursprünglich Geschriebene noch lesen kann. Alles für die Rückverfolgbarkeit! Ich komme nachher vorbei und trage es nach.“

 

Wir legen auf und ich wende mich wieder dem Ordner zu. Mein Kaffee ist inzwischen fast kalt. Ich nehme trotzdem noch einen Schluck. Natürlich… jetzt habe ich einen Kaffeefleck auf der nächsten Seite hinterlassen. Ich ärgere mich kurz, aber er passt ganz gut zu den anderen Kaffeeflecken und das zeigt ja auch nur, dass intensiv mit den Dokumenten gearbeitet wurde. Als meine Kollegin das Büro betritt, habe ich dem Ordner schon jede Menge Post-its mit Anmerkungen verpasst, die alle am rechten Rand des Dokuments hervorragen. Ein Kürzel vergessen hier, einen Schreibfehler GMP gerecht korrigieren dort… Anlagenstempel fehlt, Verweis auf Anlage xy ergänzen, Kopiestempel fehlt, genauer beschreiben, etc. Meine Kollegin schaut auf die bunten Zettel und begrüßt mich mit: „Na, da hast du ja mal wieder einen schönen Qualifizierungs-Igel.“

 

Bei der Alarmprüfung (Simulierung der Störbedingungen) angekommen, werde ich dann aber schon wieder stutzig. Hier wurde die Prüfung erst als nicht bestanden eingestuft und einen Tag später kommentarlos auf bestanden korrigiert. Zum Glück kommt gerade Gregor die Tür hereinspaziert. Ich brauche nur die Alarmprüfung hochzuhalten und es sprudelt schon aus ihm raus: „Ja, mein Fehler. Ein paar Alarme kamen am Anfang nicht und ich hatte zu schnell dokumentiert. Dabei wars nur ne kleine Softwareanpassung und schwupps waren die Alarme da.“ Einatmen… ausatmen... Meine Kollegin schenkt mir ein Schmunzeln und deutet mit ihrem Kopf auf die Postkarte, die unser Büro verziert. Ein Frosch, der im Schnabel eines Storches steckt und ums Überleben kämpft. Mit dem Titel „Gib niemals auf!“. Ich nicke ihr dankend zu und wende mich wieder an Gregor: „Eigentlich hast du alles richtig gemacht. Zumindest am Anfang. Zeitnahe Dokumentation ist nämlich sehr wichtig. Du erinnerst dich doch bestimmt noch daran, wie du am Anfang der Alarmprüfung die geprüften Alarme nicht direkt markiert hast, weil du am Ende alle auf einmal markieren wolltest.“ „Mhm.“ „Dann roch es plötzlich so gut nach Currywurst und nach der Pause wusste keiner mehr welche Alarme schon getestet wurden.“ Gregor nickt: „Ja, wir mussten nochmal von vorne anfangen, das passiert mir so schnell nicht mehr.“ Ich muss lächeln, jetzt aber zum unangenehmen Teil: „Wir hatten ja heute Morgen schon das Thema Rückverfolgbarkeit. Wenn ein Test nicht besteht, muss auch eine Abweichung dazu geschrieben w…“ Gregor unterbricht mich euphorisch: „Aber das war doch keine Abweichung, ich musste doch nur das Bit von 0 auf 1 setzen, das ging total schnell.“ Einatmen… ausatmen… der Blick zur Postkarte… Geduldig diskutiere ich mit Gregor, weshalb auch bei einer so kleinen und schnellen Anpassung eine Abweichung geschrieben werden muss. Anpassung bleibt eben Anpassung und muss über einen Change dokumentiert werden.

 

Während Gregor die Abweichung aufnimmt, stolpere ich bereits über die nächste. Hier musste eine Wiederholungsprüfung an zwei Behältern durchgeführt werden. Dokumentiert wurde aber nur die Prüfung an einem Behälter. „Klar haben wir die Prüfung auch an dem anderen Behälter durchgeführt“, bestätigt Gregor. „Na, dann bitte auch so dokumentieren“, entgegne ich. „Denn was nicht dokumentiert wurde, wurde auch nicht gemacht“, vollendet Gregor meinen Satz. Er dokumentiert die erfolgreiche Prüfung am zweiten Behälter in der Abweichung und setzt seine Unterschrift drunter. Gregor greift zufrieden nach einem Schokoriegel, als er meinen Blick sieht und mich fragend anschaut. „4-Augen-Prinzip“, sage ich nur und er schnappt sich einen weiteren Schokoriegel. Mit der Abweichung und den zwei Schokoriegeln macht er sich auf den Weg zu seinem Kollegen, der bei der Wiederholungsprüfung dabei war. Denn jedes Testergebnis muss von zwei Prüfern bestätigt werden. Bis zum Nachmittag sind wir tatsächlich so weit gekommen, dass nur noch ein einziger Post-it im Ordner klebt. Gregor macht ein glückliches Gesicht, als er sieht, dass an dieser Stelle nur noch ein Kürzel von ihm fehlt. Während er sein Kürzel ergänzt, schaue ich ihm über die Schulter und sage: „Nach diesem lehrreichen Tag hast du dir dein Kürzel auch wirklich verdient, Gregor Maier-Paulsen: GMP.“

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